Mythos Abwechslung

Das Problem Vielfalt

Mehr Abwechslung gleich besseres Lernen?

Autor: Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2025

Die Forderung nach Abwechslung in der Bildungsarbeit ist weit verbreitet. Sie gründet in der Annahme, dass ein ständiger Wechsel von u.a. Methoden, Medien und Aufgaben die Aufmerksamkeit hochhält und das Lernen erleichtert. Doch ist das wirklich der bzw. ein wichtiger Schlüssel zu nachhaltigem Wissenserwerb und Fertigkeitsaufbau? In vielen Fällen erweist sich diese Vorstellung als weit übertrieben oder sogar hinderlich. Abwechslung kann zwar motivierend sein, aber sie ist nicht automatisch lernförderlich. In gar nicht wenigen Themenbereichen und Kontexten ist Kontinuität entscheidender als Vielfalt.

 

Warum Abwechslung nicht immer sinnvoll ist

 

Lernen erfordert in jedem Fall Vertiefung und Wiederholung. Ein häufiger Wechsel von Methoden, Werkzeugen oder Medien führt leicht dazu, dass Lernende sich nicht ausreichend und ausreichend tief mit einem Thema auseinandersetzen. Gerade bei komplexen Inhalten oder dem Erwerb von Fertigkeiten ist Beständigkeit notwendig. Sehr deutlich lässt sich das an handwerklichen Berufen beobachten: Wer täglich mit anderen Werkzeugen arbeitet, ohne sie wirklich zu beherrschen, wird kaum echte Kompetenzen entwickeln.

 

Ein weiteres Problem ist die kognitive Belastung – die mentale Anstrengung, die entsteht, wenn Lernende sich immer wieder auf neue Methoden, Aufgaben, Werkzeuge, Anforderungen oder Strukturen einstellen müssen. Zu häufiger Methodenwechsel hat zur Folge, dass Lernende sich mehr auf das Verstehen der (neuen) Methoden und Werkzeuge als auf die eigentlichen Inhalte konzentrieren. Besonders Erwachsene, die oft nebenberuflich oder in Weiterbildungskontexten lernen, profitieren von einer klaren Struktur mehr als von einer bunten Mischung an Impulsen.

 

Wann Abwechslung sinnvoll sein kann

 

Trotz der genannten Nachteile gibt es Situationen, in denen Abwechslung förderlich sein kann. Besonders in der Einstiegsphase eines Lernprozesses oder bei kreativen Aufgaben hilft der Einsatz unterschiedlicher Methoden, um Interesse zu wecken und eine erste Orientierung zu geben. Dasselbe gilt für langwierige Prozesse, um mittels gezielter Methodenwechsel bspw. das Interesse und die Motivation aufrechterhalten. Wichtig ist jedoch, dass Abwechslung nicht zum Selbstzweck wird.

 

Die richtige Balance zu finden, ist die eigentliche pädagogische Aufgabe

 

Erfolgreiche und nachhaltige Bildungsarbeit bedeutet nicht, besonders abwechslungsreich zu sein und möglichst viele Methoden, Werkzeuge, unterschiedliche Arbeitsaufträge und Lernsettings einzusetzen, sondern gezielt wenige auszuwählen. Erfolgreiche Lehr- und Lernarbeit braucht eine wohl dosierte Kombination aus bewährten didaktischen Prinzipien und einer durchdachten Angebots- und Ablaufstruktur. Die Herausforderung besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen Vertrautheit und neuen Impulsen herzustellen, wobei der Vertrautheit der Vorzug zu geben ist. Lehreinheiten, die ständig Neues bieten, aber keine echten Verbindungen zwischen den Inhalten schaffen, sind nicht zielführend. Stattdessen müssen die Lerninhalte gut miteinander verknüpft und verwoben werden – zum Beispiel durch wiederkehrende Anwendungsbeispiele oder das gezielte Aufgreifen früherer Inhalte und das Zusammenführen in neuen Kontexten.

 

Resümee

 

Die Annahme, dass Abwechslung immer lernförderlich sei, gehört zu den weit verbreiteten Mythen in der Bildungsarbeit. Echte und nachhaltige Lernprozesse brauchen Klarheit, Struktur und gezielte Wiederholungen. Abwechslung kann da und dort eine Bereicherung sein, wenn sie bewusst eingesetzt wird, darf jedoch nicht zu einer bloßen Aneinanderreihung von Methoden und den exzessiven Einsatz von Werkzeugen führen. Die entscheidende Frage lautet nicht, wie viel Abwechslung es gibt, sondern ob die eingesetzten Methoden und Werkezuge dem jeweiligen Lernziel dienen. Eine klar strukturierte Lehr- und Lerneinheit mit wiederkehrenden bspw. Reflexionsphasen sind in jedem Fall effektiver als ein ständiger Wechsel von Formaten ohne klare Zielorientierung. Darüber nachzudenken, lohnt sich!

 

Wenn Interesse und Bedarf bestehen, unterstützen wir dich gerne. Reden wir darüber! Unsere Angebote zu diesem Themenbereich:


Ohren auf!