Macht

Sie ist da

Bildung ist nicht frei davon

Autorin & Autor: Renate Fanniger und Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2025

Macht und Machtausübung in Seminaren, Trainings und Workshops sind ein Thema, das häufig implizit und unausgesprochen bleibt, obwohl sie in allen Bildungsmaßnahmen und zu jeder Zeit eine zentrale Rolle spielen.

 

Grundsätzlich ist Macht kein einfach-starres Konzept, sondern ein vielschichtiges Gefüge, das sich u. a. aus Position, Wissen und sozialer Interaktion speist. Beispielsweise entsteht Macht durch die selbst gewählte und zugewiesene Rolle der Lehrenden, die durch ihr Fachwissen, ihre Erfahrung und Position Autorität gewinnt, oder durch soziale Prozesse, bei denen bestimmte Meinungen mehr Gewicht erhalten als andere. Solche Mechanismen sind immer subtil, aber prägend für das Lernen und Geschehen innerhalb der gesamten Gruppe. Lehrende stehen im Zentrum dieser Dynamik, denn sie gestalten bewusst oder/und unbewusst, wie Macht wahrgenommen, genutzt und konkret ausgeübt oder unterlassen wird. Die Reflexion über diese Prozesse ist essenziell, um Lernräume zu schaffen, die gleichzeitig effektiv und respektvoll sind.

 

Macht als Werkzeug

 

In Bildungsmaßnahmen ist Macht von Beginn an vorhanden. Sie wird allein durch die Rolle der Lehrenden etabliert, die über Wissen, Erfahrung, Positionen und Zugang zu bestimmten Ressourcen verfügen. Das erzeugt eine asymmetrische Beziehung, in der Lehrende z. B. als Autorität wahrgenommen werden. Diese Position ist aber keinesfalls statisch! Die Art und Weise, wie Lehrende ihr Machtpotential und ihre Rolle interpretieren und in der Praxis ausleben, beeinflusst, wie diese Macht auf die Teilnehmenden wirkt.

 

Macht kann in Bildungsprozessen, und nicht nur dort, unterstützend oder kontrollierend und degradierend eingesetzt werden – ein Unterschied, der die Personen, das gesamte Beziehungsgefüge und die Dynamik des Lernprozesses entscheidend prägt.

In jedem Fall hilft es und gehört zum professionellen Handeln von Pädagoginnen und Pädagogen, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, um unbewusste Dynamiken zu erkennen und gezielt darauf reagieren zu können, um Lernprozesse gerechter und inklusiver zu gestalten. Beispielsweise trägt eine Lehrkraft, die absichtlich oder unabsichtlich bestimmte Teilnehmende bevorzugt anspricht, dazu bei, andere Stimmen in der Gruppe zu marginalisieren. Ebenso zeigt sich unbewusste Machtausübung, wenn bestimmte Themen oder Perspektiven wiederholt übergangen werden, weil sie nicht in den Fokus der Lehrkraft passen. Manche Lehrende neigen heute immer noch dazu, unreflektiert an traditionellen Rollen- und Autoritätsmustern festzuhalten. Ein Trainer, der sich bemüßigt fühlt, Diskussionen aktiv und in seinem Sinne zu moderieren, steuert die Richtung des Dialogs – oft ohne es zu merken. Diese unsichtbare Macht wirkt subtil, beeinflusst aber stark, welche Themen Gewicht erhalten und welche Meinungen überhört werden.

 

Macht durch Kommunikation

 

Kommunikation ist eines der Hauptinstrumente, mit denen Macht in Bildungsangeboten ausgeübt wird. Die Art der Sprache, die Komplexität der Beispiele und Zusammenhänge sowie sarkastische Bemerkungen oder komplizierte Fragen an selektiv ausgewählte Teilnehmende können diese bloßstellen und einschüchtern, anstatt sie anzuregen und zu fördern. Derartige Fokussierungen und subtile Formen von Kommunikation beeinflussen nicht nur die Person, sondern die gesamte Gruppe nachhaltig und erzeugen und verstärken immer ein Gefühl der Unsicherheit. Genauso ist das, wenn Lehrende entscheiden, wer spricht, wie lange gesprochen wird und welche Beiträge als wertvoll gelten. Diese Entscheidungen sind zwar häufig intuitiv und ohne explizit „böse Absicht“, haben jedoch immer tiefgreifende Auswirkungen auf das Gesamtgeschehen.

 

Ein bewusster Umgang mit Kommunikation beeinflusst diese Dynamik positiv. Lehrende, die offene Fragen stellen und Raum für Vielfalt schaffen, nutzen ihre Macht, um inklusives Lernen zu fördern. Umgekehrt hemmt und stört eine autoritäre Kommunikationsweise die Kreativität und Beteiligung der Teilnehmenden. Es lohnt sich daher, über die eigene Sprache und die damit verbundenen Signale nachzudenken. Selbst die Wahl der Worte kann eine subtile, aber entscheidende Form der Machtausübung sein. Wenn eine Lehrkraft beispielsweise Begriffe wie „wir" oder „gemeinsam" nutzt, schafft sie ein Gefühl von Inklusion. Umgekehrt können formelle oder distanzierte Ausdrücke wie „Sie sollten und müssen“ Machtgefälle betonen und die Teilnehmenden in eine passive Rolle drängen.

 

Macht durch Methodenwahl

 

Die Wahl des Vorgehens und der Einsatz von Methoden in einer Bildungsmaßnahme sind ein weiterer Hebel, um Macht auszuüben. In jedem Fall verteilen interaktive Formate wie Gruppenarbeit oder Szenarien, Projekte und Rollenspiele Macht innerhalb der Gruppe und fördern Beteiligung und Übernahme von Eigenverantwortung. Dagegen unterstreichen frontale Vorträge die Macht der Lehrenden und dabei werden die Teilnehmenden in eine passive Rolle gezwängt.

 

Zwar gibt es kein Patentrezept, welches Vorgehen bzw. welche Methode die „richtige“ ist – entscheidend ist, sie bewusst und reflektiert einzusetzen. Hilfreich ist es bspw., wenn in einem Training zum Thema Konfliktmanagement die Lehrkraft bewusst eine Methode wählt, die es den Teilnehmenden ermöglicht, eigene Konfliktszenarien einzubringen, zu analysieren und gemeinsam zu besprechen.

 

Diese Vorgehensweise fördert nicht nur das Einbringen von Erfahrungswissen, das Sich-Einlassen auf und das Verstehen verschiedener Perspektiven, sondern auch das Entwickeln konkreter, praxisnaher Strategien zur Konfliktbewältigung. Gleichzeitig wird die Eigenverantwortung der Teilnehmenden gestärkt und die Dynamik innerhalb der Gruppe in Richtung Selbstwirksamkeit positiv beeinflusst und der praktische Nutzen der Schulung deutlich gesteigert. Plötzlich liegt der Fokus nicht mehr allein oder schwerpunktmäßig auf dem Expertinnen- und Expertenstatus der Lehrkraft, sondern auf der Beteiligung der Gruppe, und damit verschiebt sich die Machtachse deutlich.

 

Reflexion, Planung und Transparenz

 

Eine der wichtigsten Aufgaben von Lehrenden ist es, sich der eigenen Macht bewusst zu werden. Das erfordert eine ehrliche Reflexion über die eigene Rolle, die eingesetzten Methoden und die Wirkung auf die Teilnehmenden.

 

Gleichzeitig ist es wichtig, schon bei der Planung darauf zu achten, dass (a) soziale und interaktionale Macht, die aus den sozialen Strukturen der Gruppe, deren Geschlecht, Ethnizität oder Alter resultiert, nicht Platz greift. Genauso ist das mit einem kritischen Blick auf (b) Beziehungs- und Netzwerkmacht und den damit verbundenen Meinungsführerschaften in der Gruppe. Des Weiteren ist wichtig zu überlegen, wie mit (c) persönlicher Macht, die auf individuellen Eigenschaften, Fertigkeiten und Kompetenzen oder Talenten der Lernenden basiert, umgegangen wird. Und schließlich ist es nicht unerheblich, schon bei der Planung Gedanken anzustellen, wie ausgeübter (d) emotionaler Macht, die aus der Fertigkeit entsteht, Emotionen zu beeinflussen oder zu kontrollieren, begegnet werden kann.

 

Transparenz kann dabei ein machtvolles Werkzeug sein. Lehrende, die ihre Entscheidungen offenlegen und die Teilnehmenden in den Prozess einbinden, schaffen Vertrauen und reduzieren das Machtgefälle. Eine Variante ist, zu Beginn einer Bildungsmaßnahme die eigenen Erwartungen klar zu formulieren und genügend Raum für Gespräch und Feedback zu schaffen. Teilnehmende, die das Gefühl haben, ihre Perspektive sei willkommen und die Grenzen kennen, erleben Macht weniger als Einschränkung, sondern eher als Chance. Gleichzeitig wird durch solche Offenheit die Verantwortung geteilt, was die Lernatmosphäre positiv beeinflusst.

 

Macht als Ressource

 

Macht in Bildungsveranstaltungen ist ein unvermeidbares Phänomen, das in vielerlei Hinsicht präsent ist. Aber, sie ist weder inhärent gut noch schlecht, sondern hängt von ihrem bewussten Einsatz und Umgang damit ab. Im Grunde ist sie eine Ressource, die sinnvoll eingesetzt werden kann, um Lernprozesse zu unterstützen und zu begleiten. Lehrende müssen sich bewusst machen, dass ihre Macht nicht nur in ihrer Rolle liegt, sondern auch in ihrer Kompetenz, sie zu teilen und andere zu ermächtigen. Das kann durch konkrete Maßnahmen wie die Delegation von Aufgaben, die aktive Einbindung der Teilnehmenden in Entscheidungsprozesse oder die Förderung von Eigenverantwortung geschehen. Das ist z. B. der Fall, wenn Teilnehmenden die Wahl der Themen, Inhalte und Methoden in Teilen überlassen wird, um sie aktiv in die Gestaltung des Lernprozesses einzubinden. Der bewusste Umgang mit Macht ist nie bloß Selbstzweck, sondern ein pädagogisches Werkzeug, um Lernräume zu gestalten, die nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch zu Selbstwirksamkeit, zu Vertrauen und dem Aufbau von partnerschaftlichem Umgang miteinander beitragen.

 

In diesem Verständnis ist Macht nicht bloß eine Begrifflichkeit, ein Konzept oder eine starre Struktur, sondern ein dynamisches Instrument. Die Umsetzung und Ausübung erfordern Wissen, Fingerspitzengefühl, laufende Reflexion und den Mut, traditionelle Muster zu hinterfragen. Lehrende, die diese Herausforderung annehmen, können nicht nur fachliches Wissen vermitteln, sondern auch sehr viel besser soziale Prozesse positiv gestalten, um das gemeinsame Lernen zu fördern. Das macht ihre Rolle zu einer der einflussreichsten in jedem Lernkontext.

 

Resümee und Ausblick

 

Zusammenfassend zeigt sich, dass Macht in Bildungsmaßnahmen ein unvermeidbarer, aber gestaltbarer Bestandteil ist. Ihre Wahrnehmung, Nutzung und Ausübung haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Lernatmosphäre, die Teilnehmenden und deren Verbindungen in der Gruppe. Lehrende, die sich ihrer und der Macht der Lernenden bewusst sind und sie reflektiert und mit Verantwortung einsetzen, können Lernprozesse nicht nur gezielter steuern, sondern auch mit Teilhabe und Austausch auf Augenhöhe bereichern. Kommunikation, Methodenwahl und Transparenz sind dabei wichtige Schlüsselfaktoren, die den Unterschied zwischen unterstützender und einschränkender Macht ausmachen.

 

Der Blick in die Zukunft ist vielversprechend, wenn zukünftige Bildungskonzepte noch stärker darauf abzielen, Macht nicht nur zu reflektieren, sondern sie gezielt als Werkzeug für eine gleichberechtigte und kooperative Lernumgebung zu nutzen.

 

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