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Warum "Erfolgskonzepte" nicht allgemeingültig sind
Autor: Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2025
Herausforderungen und Chancen individueller Ansätze in Bildung und Beruf. Best Practices werden häufig als goldener Standard betrachtet. In vielen Organisationen und Bildungsprojekten und -einrichtungen gilt die Orientierung an etablierten Erfolgskonzepten als eine sichere Strategie. Die Idee dahinter: Was bereits an einem Ort funktioniert hat, muss auch anderswo gute Ergebnisse liefern. Doch genau hier liegt der Denkfehler. Was bei einem Team, einer Organisation oder einem Bildungsansatz effektiv ist, kann in einem anderen Kontext genau das Gegenteil bewirken und scheitern.
Was sind Best Practices?
Best Practices sind bewährte Methoden, Verfahren oder Ansätze, die sich in einem bestimmen Kontext und einer bestimmten Situation als erfolgreich erwiesen haben. In der Theorie sollen diese als Orientierung für andere dienen, um ähnliche Erfolge zu erzielen. Sie werden oft in Handlungsleitfäden oder als Standards dokumentiert und empfohlen. Besonders in der Wirtschaft, im Projektmanagement und in der Erwachsenenbildung erfreuen sich Best Practices großer Beliebtheit. Doch ihre Übertragbarkeit wird selten kritisch hinterfragt. Der Begriff „Best Practice“ hat seinen Ursprung in der angloamerikanischen Betriebswirtschaftslehre und bezeichnet dort bewährte, vorbildliche oder erfolgreiche Methoden und Vorgehensweisen in Unternehmen.
Kritik und Best Practices:
Kritikerinnen und Kritiker sehen in Best Practices einen Ausdruck des US-amerikanischen, neoklassischen Ideals deregulierter Märkte und eingeschränkter unternehmerischer Vorrechte. Sie lehnen es ab, ein solches homogenes unternehmerisches Handeln global durchzusetzen, da es kulturelle und strukturelle Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern und Unternehmen ignoriert. Zudem ist ein weiterer zentraler Kritikpunkt, dass Best-Practice-Prozesse und Modelle per Definition auf bewährten Methoden aus der Vergangenheit basieren und daher nicht gleichzeitig dem neuesten Stand der Technik bzw. der Lage der Situation entsprechen können. Das hat leicht zur Folge, dass Unternehmen an veralteten Konzepten festhalten und eigene Innovationen vernachlässigen.
Zudem ist evident, dass die unreflektierte Übernahme von Best Practices immer auch die spezifischen Bedürfnisse und Kontexte einzelner Organisationen außer Acht lässt. Was in einem Unternehmen erfolgreich ist, wird nicht zwangsläufig in einem anderen zu einem ähnlichen oder annähernd gleichen Ergebnis führen. Daher ist in jedem Fall angeraten sogenannte Best Practices höchst kritisch zu bewerten.
Kontext ist der Schlüssel
Ein wesentlicher Grund, warum Best Practices nicht allgemeingültig übertrag- und anwendbar sind, liegt in der Unterschiedlichkeit der Kontexte. Faktoren wie die Teamzusammensetzung, kulturelle Hintergründe, die Ressourcenlage oder die individuellen Bedürfnisse von Lernenden beeinflussen das Ergebnis die Wirksamkeit entscheidend. Ein Konzept, das in einem internationalen Unternehmen mit großem Budget funktioniert, kann in einem mittelständischen Betrieb mit begrenzten Mitteln zum Problem werden. Ebenso können Lernansätze, die in einer dynamischen Arbeitsumgebung gut funktionieren, in einem eher statischen Kontext scheitern.
Ein Praxisfall verdeutlicht das: Agile Arbeitsmethoden wie Scrum oder Kanban gelten als Best Practices im Projektmanagement. In einem Team mit erfahrenen Fachkräften und klaren Zielvorgaben können diese Methoden zu einer Effizienzsteigerung führen. Wird dasselbe Modell jedoch in einem Team eingeführt, das wenig Erfahrung mit Eigenverantwortung oder flexiblen Strukturen hat, entstehen recht rasch Überforderung und Chaos.
Der Mythos der Blaupause
Die Vorstellung, dass eine Methode oder ein spezifisches Konzept allgemeingültig übertragbar ist, ignoriert die Vielfalt menschlicher und organisatorischer Strukturen. Menschen sind individuell, Gruppenprozesse komplex und Arbeitsumgebungen unterschiedlich. Auch in der Bildung zeigt sich das deutlich: Eine Lernmethode, die bei einer Gruppe von Erwachsenen gut ankommt, kann bei einer anderen Gruppe mit ganz anderen Bedürfnissen wirkungslos bleiben.
Lernende bringen unterschiedliche Ausgangslagen, Erfahrungen, Erwartungen und Kompetenzen mit. Während einige von klaren Strukturvorgaben und Routinen profitieren, benötigen andere mehr kreative Freiräume. Eine Standardlösung wird beiden Gruppen nicht gerecht. Hier wird deutlich, dass die unkritische Übernahme von Best Practices sogar kontraproduktiv sein kann.
Wie lassen sich Alternativen entwickeln?
Statt auf vorgefertigte Konzepte zu setzen, sollte der Fokus darauf liegen, Lösungen an die spezifischen Bedürfnisse und Gegebenheiten anzupassen. Dazu gehört:
- Kontextanalyse: Vor der Implementierung eines Konzepts müssen die Rahmenbedingungen sorgfältig analysiert werden. Welche Bedürfnisse, Ziele und Einschränkungen gibt es?
- Flexibilität und Anpassung: Konzepte sollten nicht eins zu eins übernommen, sondern individuell adaptiert werden. Das erfordert Kreativität und die Bereitschaft zur Anpassung.
- Partizipation: Die Einbindung der beteiligten Personen in die Entwicklung von Lösungen sorgt für Akzeptanz und passgenaue Ergebnisse.
- Evaluation und Feedback: Kontinuierliche Rückmeldungen und Anpassungen sind essenziell, um die Effektivität einer Methode bzw. Vorgehensweise zu gewährleisten.
Ein weiterer hilfreicher Ansatz ist der Austausch von Erfahrungen, nicht nur im Sinne des Nachahmens, sondern als Inspiration für eigene Lösungen. Lernen aus der Praxis anderer bedeutet nicht, diese eins zu eins zu kopieren, sondern Ideen zu sammeln und sie in den eigenen Kontext zu übertragen.
Ausblick
Die unkritische Übertragung und Anwendung von Best Practices ist ein Trugschluss, der zu Fehleinschätzungen und wenig effektiven Ergebnissen führt. Stattdessen muss der Fokus auf der Entwicklung von Lösungen liegen, die an den jeweiligen Kontext angepasst und auf die dort herrschenden Bedingungen abgestimmt sind. Das braucht eine genaue Analyse, Flexibilität und den Mut, von vorgegebenen Standards abzuweichen. Indem Menschen individuelle Ansätze entwickeln, können sie nicht nur effizienter arbeiten, sondern auch nachhaltigere und stärkere Ergebnisse erzielen. Denn das, was wirklich zählt, ist nicht die Methode respektive das Verfahren oder Vorgehen selbst, sondern ihre Wirkung in einem spezifischen Umfeld.
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