Digitalisierung

Bildungskrise

So wie bisher geht es nicht!

Autor: Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2024

Die Jugend- und Erwachsenenbildung durchlief zwischen 2020 und 2024 eine tiefgreifende Krise, die durch die rasante Entwicklung der Digitalisierung ausgelöst wurde. Diese Krise betraf zahlreiche Bereiche des Bildungssystems. Die Auswirkungen auf die Schule umfassten unter anderem die Notwendigkeit zur schnellen Umstellung auf digitale Unterrichtsformate, oft ohne ausreichende technische Ausstattung oder Schulung der Lehrkräfte.

 

In der beruflichen Weiterbildung wurden viele Programme digitalisiert, was sowohl für die Anbietenden als auch für die Lernenden zu erheblichen Herausforderungen führte. In der Erwachsenenbildung führte die Digitalisierung zu einer erhöhten Belastung der Teilnehmenden, die oft nicht über die notwendigen digitalen Fertigkeiten und Kompetenzen verfügten, und vor allem Schwierigkeiten hatten, sich selbstständig zu organisieren. Besonders betroffen waren selbstständige Anbietende im Bildungsbereich in Österreich, die plötzlich mit der Notwendigkeit konfrontiert waren, ihre Angebote vollständig auf digitale Lernformen umzustellen. Diese Anpassung überforderte viele der selbstständigen Bildungsanbietenden, die weder über die technischen noch die finanziellen Mittel verfügten, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden.

 

Herausforderungen während der COVID-19-Pandemie

 

Besonders während der COVID-19-Pandemie wurde deutlich, dass der digitale Wandel in der Bildungslandschaft unausweichlich ist. Zahlreiche selbstständige Anbietende im Bildungsbereich mussten innerhalb kurzer Zeit auf Online-Lernformate und digitale Tools umstellen, oft ohne jegliche Unterstützung durch staatliche Stellen oder Förderprogramme. Diese Entwicklung stellte sowohl Lehrende als auch Lernende vor große Herausforderungen. Selbstständige Bildungsanbietende, die in der Regel keine institutionelle Infrastruktur hinter sich hatten, mussten nicht nur neue technische Kenntnisse und Fertigkeiten erlernen, sondern auch in die entsprechende Ausrüstung investieren. Diese Investitionen umfassten beispielsweise Laptops, Tablets, leistungsfähige Internetverbindungen sowie spezialisierte Software für Videokonferenzen und Lernmanagementsysteme. Viele von ihnen hatten nicht die finanziellen Möglichkeiten, in diese hochwertigen digitalen Tools zu investieren, was die wirtschaftliche Herausforderung und die Belastung zusätzlich verstärkte. Das führte zu einer deutlichen Qualitätsminderung des Angebots.

 

Strukturelle und Didaktische Defizite

 

Neben der technologischen Infrastruktur, die vielerorts mangelhaft war (und bis heute ist), zeigte sich auch ein strukturelles Defizit: Die Bildungsinhalte der selbstständigen Anbietenden waren oft nicht auf digitale Vermittlung ausgelegt. Die Umstellung auf Online-Formate bedeutete weithin, dass bisherige analoge Lernmaterialien lediglich digitalisiert wurden, ohne dass eine echte Anpassung an die Bedürfnisse des digitalen Lernens erfolgte.

 

Die Folge war, ein erhöhtes Risiko der Bildungsentfremdung, da die gewohnten persönlichen Interaktionen und die sozialen Aspekte des Lernens weitgehend entfielen. Beispielsweise fehlten die informellen Gespräche, die normalerweise vor oder nach den Kursen stattfanden und dazu beitrugen, das Verständnis zu vertiefen und Fragen zu klären. Eine ganze Reihe von Lernende berichteten zudem von sinkender Motivation, da der direkte Kontakt zu Lehrenden und Mitlernenden, der als wichtige Unterstützung diente, nicht mehr vorhanden war. Dies hatte negative Auswirkungen auf das Lernergebnis, da die fehlende persönliche Betreuung dazu führte, dass Schwierigkeiten unbeachtet blieben und die Lernfortschritte stagnierten. Insbesondere selbstständige Trainerinnen und Trainer sowie Coaches, die von der persönlichen Beziehung zu ihren Teilnehmenden lebten, standen vor dem Problem, dass die fehlenden sozialen Interaktionen ihre Bildungsarbeit erheblich beeinträchtigten.

 

Digitale Spaltung und regionale Ungleichheiten

 

Ein weiteres Problem war die digitale Spaltung, die durch die Krise noch deutlicher wurde. Selbstständige Anbietende im Bildungsbereich in Österreich waren oft stark von dieser digitalen Spaltung betroffen. Die ungleiche Verfügbarkeit von technischen Geräten und schnellem Internet führte dazu, dass insbesondere im ländlichen Raum viele Bildungsanbietende nicht in der Lage waren, adäquate digitale Angebote zu schaffen. Diese Situation verschärfte die ohnehin schon herausfordernde wirtschaftliche Lage vieler Bildungsanbietender, da sie oft gezwungen waren, ihre Kurse abzusagen oder auf unzureichende technische Lösungen zurückzugreifen. Gleichzeitig konnten Bildungsanbietende in urbanen Gebieten, die über bessere technische Infrastruktur verfügten, ihre Angebote weiterführen und sich damit einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Diese Ungleichheiten verstärkten die bestehende soziale und wirtschaftliche Kluft zwischen städtischen und ländlichen Regionen.

 

Medienkompetenz und psychologische Belastungen

 

Auch die fehlende Medienkompetenz war ein zentrales Problem. Viele selbstständige Anbietende verfügten über langjährige Erfahrung in der Präsenzlehre, hatten jedoch kaum Erfahrung mit digitalen Lehr- und Lernformaten. Die Notwendigkeit, plötzlich Online-Kurse anzubieten, setzte eine Vielzahl von neuen Kompetenzen voraus, die viele von ihnen erst mühsam und ohne ausreichende Unterstützung erlernen mussten. Dies führte zu einer Belastung, die nicht nur die Qualität der Angebote beeinträchtigte, sondern auch viele selbstständige Bildungsanbietende an den Rand ihrer Belastungsgrenze brachte. Einige von ihnen gaben ihre Tätigkeit ganz auf, da der Aufwand, sich das Grundlagen wissen und die nötigen digitalen Fertigkeiten anzueignen, neben dem laufenden Betrieb nicht zu bewältigen war.

 

Besonders in der Erwachsenenbildung zeigte sich ein noch dramatischeres Bild. Selbstständige Weiterbildungsanbietende mussten ihre Angebote digitalisieren, um auf die Einschränkungen durch die Pandemie zu reagieren. Doch die fehlende Unterstützung und die hohen Anforderungen an die Selbstorganisation im Umgang mit digitalen Lehr- und Lernformen überforderten viele. Der Druck, gleichzeitig neue digitale Formate zu entwickeln und ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern, führte dazu, dass zahlreiche selbstständige Bildungsanbietende in Österreich ihre Kurse einstellen mussten. In jedem Fall hat während der Krise jede und jeder Zweite der selbstständigen Bildungsanbietenden aufgrund der Umstellung auf digitale Formate finanzielle Einbußen erlitten und zudem wurde ein Rückgang von bis zu einem Drittel bei den Teilnehmerzahlen gesprochen, was die wirtschaftliche Situation weiter verschärfte. Diese Zahlen verdeutlichen die Schwere der Situation und die Herausforderungen, denen selbstständige Bildungsanbietende in Österreich während der ersten Digitalisierungswelle gegenüberstanden.

 

Mangelnde didaktische Anpassung

 

Zudem fehlte es häufig an geeigneten didaktischen Konzepten für den digitalen Raum. Selbstständige Anbietende hatten nur selten didaktische Schulungen im Bereich der digitalen Lehre und mussten improvisieren, um ihre Inhalte an die neuen Formate anzupassen. Der traditionelle Seminar-, Trainings- und Workshopbetrieb war in der Vergangenheit übermäßig stark durch die direkte Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden geprägt, die mit der Krise plötzlich wegfiel. In vielen Fällen wurden lediglich bestehende Inhalte in ein Online-Format überführt, ohne die spezifischen didaktischen Anforderungen an das digitale Lernen zu berücksichtigen. Erfolgreiches digitales Lernen verlangt jedoch eine aktive Einbindung der Lernenden, die Förderung von Eigenverantwortung und angepasste Methoden, Techniken und Verfahren zur Wissensvermittlung. Ohne diese didaktische Anpassung verlieren viele digitale Bildungsangebote an Wirksamkeit, und es entsteht die Gefahr der Entfremdung von Lern- und Bildungsprozessen.

 

Psychologische Auswirkungen

 

Auch psychologische Aspekte spielten eine wichtige Rolle bei der Krise der selbstständigen Bildungsanbietenden. Die Isolation, die durch den Wegfall des sozialen Lernumfelds entstand, führte nicht nur bei den Lernenden, sondern auch bei den Anbietenden zu Motivationsproblemen. Das Fehlen persönlicher Kontakte, gemeinsamer Lernaktivitäten und der direkte Austausch mit den Teilnehmenden wirkte sich negativ auf die Motivation und das Engagement der Lehrenden aus. Viele selbstständige Bildungsanbietende in Österreich fühlten sich im Stich gelassen, da es kaum staatliche Unterstützung gab, die auf ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnitten war.

 

Fazit: Notwendige Anpassungen für eine erfolgreiche Digitalisierung

 

Die Krise der Jugend- und Erwachsenenbildung zwischen 2020 und 2024 verdeutlicht, dass die Digitalisierung des Bildungswesens nicht nur eine technologische Herausforderung ist, sondern auch tiefgreifende strukturelle und didaktische Anpassungen erfordert. Beispielsweise sind strukturelle Anpassungen wie die flächendeckende Bereitstellung von technischer Infrastruktur und die Sicherstellung des Zugangs zu schnellen Internetverbindungen notwendig.

 

Didaktisch sind neue Zugänge, Wege und Methoden gefragt, die eine aktive Beteiligung der Lernenden fördern, wie etwa interaktive Online-Workshops, projektbasiertes Lernen im digitalen Raum sowie eine intensivere Betreuung der Lernenden durch digitale Kommunikationskanäle. Besonders für selbstständige Anbietende im Bildungsbereich in Österreich muss eine erfolgreiche Digitalisierung weit über die Bereitstellung technischer Mittel hinausgehen. Sie muss die spezifischen Bedürfnisse der Lernenden und Lehrenden gleichermaßen berücksichtigen, soziale Interaktionen fördern und dabei sicherstellen, dass niemand aufgrund mangelnder digitaler Kompetenzen oder technischer Ausstattung zurückbleibt.

 

Darüber hinaus muss in die Schulung der Lehrenden investiert werden, damit diese die Möglichkeiten digitaler Medien voll ausschöpfen können. Nur so kann eine Bildungskrise wie die der letzten Jahre in Zukunft vermieden werden. Es ist essenziell, dass die Digitalisierung im Bildungsbereich nicht als kurzfristige Notlösung, sondern als langfristige, durchdachte Transformation betrachtet wird, die strukturelle und soziale Aspekte gleichermaßen in den Blick nimmt.

 

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