Sinn finden

Haltung einnehmen

Prinzipien umsetzen

Autor & Autorin: Manfred Hofferer, Renate Fanninger & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2024

Sinnfindung ist eine zentrale Aufgabe im menschlichen Leben, auch in der Bildung und Bildungsarbeit. Die Theorie der Logotherapie von Viktor Frankl konzentriert sich auf diese Sinnfindung als zentrale Aufgabe des menschlichen Lebens. Sie unterstützt Menschen dabei, gerade in schwierigen privaten oder/und beruflichen Situationen einen tieferen Sinn zu entdecken und zu erkennen und so ein weitestgehend erfülltes Leben zu führen. 

 

Ihr Kernanliegen besteht darin, dem Menschen zu unterstützen, zu begleiten und ihm zu helfen, Sinn zu entdecken, insbesondere in leidvollen oder schwierigen Situationen. Frankls Ansatz geht davon aus, dass der Wille zum Sinn eine zentraler Antrieb des menschlichen Daseins darstellt. Der Begriff "Logotherapie" leitet sich vom griechischen Wort "Logos" ab, das sowohl "Sinn" als auch "Wort" bedeutet.

 

Die wichtigsten Grundsätze lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Der Wille zum Sinn: Im Zentrum der Theorie der Logotherapie steht die Annahme, dass der Mensch grundlegend danach strebt, seinem Leben Bedeutung und Sinn zu geben. Dieser "Wille zum Sinn" wird als stärker als andere Motivationsfaktoren, wie etwa das Streben nach Lust (Freud) oder Macht (Adler), betrachtet. Menschen sind dann erfüllt und psychisch stabil, wenn sie eine bedeutsame Aufgabe oder einen Sinn in ihrem Leben erkennen. 

    Beispiel: Eine Person, die sich in ihrem Beruf unglücklich fühlt, könnte durch die Beschäftigung mit den Grundsätzen der Logotherapie herausfinden, dass ihr eigentliches Bedürfnis darin liegt, anderen zu helfen. Sie entscheidet sich daher, ehrenamtlich in einer gemeinnützigen Organisation zu arbeiten. Durch diese Tätigkeit empfindet sie eine neue Sinnhaftigkeit, die ihr hilft, auch andere Lebensbereiche positiver zu sehen.

  2. Existenzielle Freiheit und Verantwortung: Frankl betont die Bedeutung der persönlichen Freiheit und Verantwortung. Er sieht den Menschen als ein Wesen, das zwar von äußeren Umständen beeinflusst wird, jedoch immer eine innere Freiheit besitzt, wie es auf diese Umstände reagiert. Diese Freiheit erlaubt es jedem Menschen, selbst in extremen Lebenslagen (wie Frankl selbst im Konzentrationslager) eine sinnvolle Haltung zu finden. Mit dieser Freiheit geht auch Verantwortung einher – die Verantwortung, den eigenen Lebenssinn zu erkennen und danach zu handeln.

    Beispiel: Eine Person erlebt einen groben Einschnitt in ihrem Leben, in dem sie sich von einer langjährigen beruflichen Tätigkeit trennen muss und vor der Herausforderung steht, ihr gewohntes Leben völlig neu ordnen zu müssen. . Mittels die Grundsätze der Logotherapie kommt sie zur Erkenntnis, dass sie die Freiheit hat, die Situation als Chance für persönliches Wachstum zu sehen. Sie übernimmt die Verantwortung für ihr eigenes Wohlbefinden und beginnt, neue Interessen zu entwickeln, wie das Erlernen einer neuen Sprache oder das Reisen. Dadurch gibt sie ihrem Leben neuen Sinn und kann die Trennung als Wendepunkt in eine positive Richtung nutzen.

  3. Der Sinn in der Begegnung mit Leid: Ein wesentliches Prinzip der Logotherapie ist die Auffassung, dass auch in leidvollen Erfahrungen und unveränderlichen Schicksalen ein Sinn gefunden werden kann. Viktor Frankl spricht davon, dass selbst das Leiden, wenn es unausweichlich ist, dem Leben Sinn verleihen kann. Es geht darum, dem Leiden einen positiven Wert zuzuschreiben, an ihm zu wachsen und dadurch über sich selbst hinauszuwachsen.

    Beispiel: Ein Mann, der nach einem Arbeitsunfall dauerhaft eingeschränkt ist, entdeckt mittels der Beschäftigung mit der Grundsätze der Logotherapie und therapeutische Begleitung, dass er seine Situation als Anstoß sehen kann, andere Menschen in ähnlicher Situation zu unterstützen. Er beginnt, Vorträge zu halten und eine Selbsthilfegruppe aufzubauen, wodurch er nicht nur seine eigene Situation und den eigenen Schmerz besser verarbeiten kann, sondern auch anderen Betroffenen Mut macht..

  4. Die Sinnfindung im Alltag: Laut Frankl gibt es verschiedene Wege, Sinn im Leben zu (er-) finden. Das kann durch schöpferische Tätigkeiten (etwa Arbeit oder Kunst), durch das Erfahren von Werten (wie Liebe, Natur oder Kultur) oder durch die Annahme von Leid geschehen. Jeder Mensch hat eine einzigartige Aufgabe und kann durch die ihm spezifische Weise, diese Aufgabe zu erfüllen, seinen Sinn finden. 

    Beispiel: Ein älteres Paar findet Sinn in der Pflege ihres Gartens. Sie erleben nicht nur Freude und Zufriedenheit durch das Erschaffen von etwas Schönem, sondern erfahren Glück durch das Teilen dieser Freude, indem sie ihren Garten für Besucherinnen und Besucher öffnen. Ihre Liebe zur Natur und der Austausch mit anderen Menschen geben ihrem Alltag neuen Sinn und Struktur.

Viktor Frankl formulierte Folgendes: "Der Mensch ist jenes Wesen, das immer entscheidet, was es ist." In diesem Sinne ist die Logotherapie nicht nur eine Therapie- bzw. Behandlungsform, sondern auch eine Philosophie des Menschseins - eine Ermutigung zur Suche nach individueller Sinnhaftigkeit trotz aller Widrigkeiten.

 

Bedeutung der Logotherapie in der Bildungsarbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen

 

Die Kernaussagen und Grundsätze der Logotherapie haben auch in der Bildungsarbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen Bedeutung. Zusammengefasst geht es bei der Logotherapie um die Suche nach Sinn, die Freiheit der persönlichen Entscheidung und die Übernahme von Verantwortung – Aspekte, die gerade im Bildungsbereich sehr relevant sind. Gerade in einer Welt, die zunehmend von Unsicherheiten, sozialen Spannungen und individuellen Herausforderungen geprägt ist, kann die bewusste Entdeckung von Sinn eine wichtige Ressource sein. Jugendliche stehen häufig vor der Frage, welchen Weg sie im Leben einschlagen sollen, und sind auf der Suche nach Orientierung. Die Beschäftigung mit dem Sinn kann ihnen helfen, die Bedeutung von persönlicher Verantwortung, Freiheit und der Suche nach individuellem Sinn zu verstehen. Sie können lernen, dass sie die Freiheit haben, Entscheidungen zu treffen und dass sie eine aktive Rolle in der Gestaltung ihres Lebens spielen, auch wenn die äußeren Umstände schwierig sind.

 

In der Erwachsenenbildung kann das Denkgebäude der Logotherapie besonders in Phasen von beruflichen oder persönlichen Krisen hilfreich sein. Menschen, die etwa mit Arbeitslosigkeit, Burnout oder anderen Lebensübergängen konfrontiert sind, können durch die Prinzipien der Logotherapie lernen, ihre Situation in einem neuen Licht zu betrachten und die Herausforderungen als Anlass für persönliches Wachstum zu nutzen. In der Bildungsarbeit werden daher u. a. praktische Aufgaben eingesetzt, die dazu dienen, die eigenen Erfahrungen, das eigne Gewordensein und die daraus resultierenden Haltungen zu hinterfragen und neue Perspektiven zu entwickeln, sei es durch Feedback, Reflexion oder kreative Aktivitäten, die explizit zur Beschäftigung mit sich selbst auffordern. Dort können die Kernaussagen Viktor Frankls Gedankengebäudes sehr gut dazu beitragen, die Resilienz und die Kompetenz zur Selbstwirksamkeit zu stärken, was sowohl Jugendlichen als auch Erwachsenen hilft, ein immer stärker erfülltes und sinnvolles Leben zu führen.

 

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