Die Sache Trends

Trendbegriffe

Scheinlösungen mit Risiken

Autor: Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2024

Warum die Überbewertung von Modebegriffen die Bildungsgrundlagen gefährdet: Der Einsatz von Trendbegriffen wie Agilität, Augenhöhe, Gamification, Blockchain oder Künstliche Intelligenz (KI) ist in der Bildungswelt weit verbreitet, wobei diese Begriffe oft verwendet werden, ohne dass ihre tatsächlichen Auswirkungen auf den Lernprozess und das Lernen ausreichend verstanden werden.

 

Diese Begriffe werden häufig als Lösung für viele Herausforderungen im Bereich Lernen und Bildung dargestellt. Doch dieser Ansatz birgt Risiken, wenn dabei die fundamentalen Grundlagen des Lernens aus dem Blick geraten. Die Fokussierung auf solche Trendbegriffe birgt die Gefahr, dass die eigentlichen Bedürfnisse der Lernenden übersehen werden, die Basis wissenschaftlich fundierter Pädagogik nicht ausreichend berücksichtigt wird und praxisnahe und einfache Lösungen in den Hintergrund treten.

 

Trendbegriffe als oberflächliche Ersatzlösungen

 

Begriffe wie "Agilität" oder "auf Augenhöhe" sind oft nur schlagwortartige Ideale, die eine grundlegende Veränderung im Lernprozess suggerieren sollen. Doch echte Lernerfahrungen sind komplex und häufig nicht allein durch die Anwendung von Modellen der agilen Arbeitswelt oder durch den Versuch, Augenhöhe zu suggerieren, zu verbessern. Um erfolgreiches Lernen zu ermöglichen, sind tiefergehende Konzepte, wie zum Beispiel individuelle Förderung, Lernpsychologie oder die Anpassung an den individuellen Entwicklungsstand der Lernenden, von entscheidender Bedeutung.

 

Ein Beispiel dafür ist bspw. das Konzept der "agilen Lernumgebung" in Seminaren: Die Idee, dass Lernende ihre Inhalte flexibel und eigenständig gestalten, klingt im Ansatz sinnvoll, wird jedoch in der Praxis nicht selten unzureichend umgesetzt. Denn ohne die fundierte Anleitung durch pädagogisch geschulte Lehrende und ohne eine entsprechende Struktur verlieren viele Lernende leicht den Fokus und bleiben hinter ihren Möglichkeiten zurück. Zum Beispiel zeigt sich in einigen Seminarprojekten, dass Lernende zwar kreative Ideen entwickeln, diese aber nicht in die Tat umsetzen können, weil es an klaren Vorgaben und regelmäßiger Unterstützung fehlt. Ohne diese Balance neigen sie dazu, Aufgaben unvollständig zu lassen oder in ihrer Motivation nachzulassen. Die eigentlichen Grundlagen des Lernens, wie eine gute Balance zwischen Anleitung und Eigenverantwortung, treten in den Hintergrund, wenn der Begriff der "Agilität" überbetont wird.

 

Gamification: Motivation oder Ablenkung?

 

Ähnliches gilt für Gamification, also die Anwendung von spielerischen Elementen im Lernprozess. Gamification wird im Internet als Wundermittel dargestellt und angepriesen, um Motivation und Engagement zu erhöhen. Jedoch zeigt die Praxis, dass der Lernprozess dadurch mehr oberflächlich bleibt, wenn der Fokus auf spielerischen Belohnungen liegt. Tiefgehendes Verständnis ist wichtiger, weil es den Lernenden ermöglicht, Wissen langfristig zu verinnerlichen und auf neue Probleme anzuwenden, während kurzfristige Motivation zwar zu oberflächlichem, kurzfristigen Erfolg führt aber keinen Tiefgang hat.

 

Ein praktisches Beispiel ist der Einsatz von Quiz-Apps, die Punkte und Abzeichen vergeben. Solche Tools können zwar kurzfristig zur Teilnahme anregen, führen jedoch nicht zwangsläufig zu tiefem Verständnis oder echtem Wissens- bzw. Fertigkeitsaufbau. Gerade bei komplexeren Themen wie Soft-Skills aber auch Mathematik oder naturwissenschaftlichen Zusammenhängen bleibt das nötige Verständnis auf der Strecke, wenn das eigentliche Ziel lediglich darin besteht, Punkte zu sammeln. Die Grundlagen effektiven Lernens - wie Wiederholung, Reflexion und die Möglichkeit zur Fehlerkorrektur - werden dadurch häufig nur unzureichend erfüllt.

 

Technologische Begriffe wie Blockchain und KI im Bildungsbereich

 

Blockchain und Künstliche Intelligenz (KI) sind zwei weitere Buzzwords, die oft im Kontext von Bildungsinnovationen verwendet werden. Blockchain soll das Zertifikatswesen revolutionieren, während KI personalisiertes Lernen verspricht. In der kritischen Betrachtung der Praxis zeigt sich jedoch, dass diese Technologien nicht die erwarteten Verbesserungen liefern. Blockchain-Technologie stößt auf Herausforderungen wie die fehlende Skalierbarkeit und die Unsicherheit in Bezug auf Datenschutz, während KI-Systeme häufig Schwierigkeiten haben, auf die emotionalen und sozialen Bedürfnisse von Lernenden angemessen zu reagieren. Ohne diese menschlichen Aspekte bleiben die Fortschritte begrenzt und die tatsächliche Bildungsqualität leidet. Diese Technologien können sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten haben, aber sie ersetzen nicht die menschlichen Aspekte des Lernens und der Förderung.

 

Ein Beispiel aus der Praxis ist der Einsatz von KI-basierten Tutorensystemen. Diese Systeme stellen den Lernenden personalisierte Lerninhalte zur Verfügung, was grundsätzlich positive Effekte haben kann. Allerdings zeigen Erfahrungen, dass Lernende regelmäßig auf Schwierigkeiten stoßen, die nur durch menschliche Unterstützung bewältigt werden können - sei es durch emotionale Motivation, eine individuelle Hilfestellung oder einfach die Anpassung der Aufgaben an die Stimmung und Verfassung der Lernenden. Die Grundlagen erfolgreicher Bildung - wie soziale Interaktion, emotionale Unterstützung und eine individuelle Einschätzung der Situation - werden durch automatisierte Systeme nicht vollständig ersetzt.

 

Fazit

 

Trendbegriffe und neue Technologien können durchaus wertvolle Impulse für den Bildungsbereich liefern, jedoch stellen sie keine umfassende Lösung dar. Lernen ist ein hochkomplexer und interaktiver Prozess, der tiefgehendes Verständnis der Ausgangslagen, der Bedürfnisse und der Kontexte, in denen sich die Lernenden befinden, erfordert. Grundlagen wie individuelle Betreuung, eine differenzierte Herangehensweise an die Motivation und die Berücksichtigung der sozialen Dynamik sind nach wie vor zentral. Die Gefahr, die von der Überbewertung von Trendbegriffen ausgeht, liegt vor allem darin, dass diese grundlegenden Bedürfnisse übersehen werden und Bildung auf ein reines Experimentierfeld für Modeerscheinungen reduziert wird. Ein reflektierter Einsatz solcher Techniken, Methoden und Begriffe, immer mit Blick auf die Bedürfnisse der Lernenden und die wissenschaftlichen Grundlagen des Lernens, bleibt entscheidend.

 

Ausblick

 

Um langfristig erfolgreiche Bildung zu gestalten, muss der Fokus auf den nachhaltigen Wissens- und Kompetenzaufbau im pädagogischen Grundwissen und -können liegen. Das wird mittels konkreter Schulungsprogramme, gezielten Fortbildungsmaßnahmen, Ausbildungen und praxisorientierte Workshops für Lehrende erreicht, um sicherzustellen, dass diese über das notwendige Grundlagenwissen, die notwendigen Werkzeuge, Methoden und Techniken verfügen, um Lernprozesse effektiv zu gestalten und zu begleiten. 

 

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