Adultismus
Eine Herausforderung
Autor: Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2024
Die Ausbildung von Lehrlingen und jungen Erwachsenen ist ein zentraler Baustein für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Ein Beispiel dafür ist die Rolle von Fachkräften im Handwerk: Eine qualitativ hochwertige Ausbildung sichert nicht nur den Nachwuchs an qualifizierten Fachkräften, sondern trägt auch wesentlich zur Stabilität und Weiterentwicklung der lokalen Wirtschaft bei.
Trotz der großen Bedeutung dieser Phase für die persönliche und berufliche Entfaltung junger Menschen gibt es strukturelle Barrieren, die eine positive Entwicklung behindern können. Eine dieser Barrieren ist Adultismus, also die Diskriminierung junger Menschen aufgrund ihres Alters. Dieser Beitrag untersucht, welche Rolle Adultismus in der Ausbildung spielt, welche negativen Auswirkungen sich daraus ergeben und wie man dieser Herausforderung praktisch begegnen kann.
Die Rolle des Adultismus in der Ausbildung von Lehrlingen und jungen Erwachsenen
Adultismus bezeichnet die systematische Diskriminierung junger Menschen aufgrund ihres Alters durch Erwachsene. Diese nutzen ihren Status und ihre Macht, um Entscheidungen zu treffen oder Erwartungen zu formulieren, die häufig nicht auf der Ebene der jungen Person liegen. In der Ausbildung von Lehrlingen und jungen Erwachsenen spielt Adultismus eine bedeutende Rolle, die sowohl die persönliche als auch die berufliche Entwicklung der Betroffenen negativ beeinflusst.
In einer traditionellen Ausbildungsumgebung herrscht häufig immer noch das Verständnis vor, dass die Lehrkräfte und Ausbildenden eine Position der Autorität einnehmen und automatisch mehr Wissen und Erfahrung besitzen. Dadurch wird die Perspektive der jungen Auszubildenden oft als weniger wertvoll oder unreif wahrgenommen. Diese adultistischen Haltungen können sich auf verschiedene Arten manifestieren: von der Nichtbeachtung von Anregungen und Ideen der Lehrlinge bis hin zu einer generell überheblichen Kommunikation und einem entsprechenden Umgang miteinander. Wenn Lehrlinge systematisch nicht ernst genommen oder sogar herablassend behandelt werden, kann dies zu einem erheblichen Mangel an Motivation führen, das Selbstwertgefühl beeinträchtigen und die Entstehung einer ungünstigen Lernumgebung verursachen.
Beispiele für Adultismus in der Ausbildung
Ein Beispiel für Adultismus in der Ausbildung wäre, wenn ein junger Auszubildender eine Idee zur Verbesserung eines Arbeitsprozesses vorbringt, die jedoch sofort zurückgewiesen wird, ohne dass ernsthaft darüber nachgedacht wird, einfach weil die Person noch jung ist und als zu unerfahren angesehen wird. Stattdessen könnte eine positive Alternative darin bestehen, die Idee des Auszubildenden ernsthaft zu prüfen und gemeinsam zu überlegen, wie sie umgesetzt werden könnte. Dadurch würde der Auszubildende ermutigt, weiterhin aktiv mitzudenken und Verantwortung zu übernehmen. Solche und ähnlich negative Erlebnisse können die Lernenden in ihrer Entwicklung behindern und sie davon abhalten, künftig Vorschläge zu machen oder eigenständig kreative Lösungen zu suchen. Ein weiterer Aspekt ist die übermäßig autoritäre Kontrolle von Auszubildenden: Statt Lernende zu ermutigen, Verantwortung zu übernehmen und selbständige Entscheidungen zu treffen, wird ihnen oft jegliche Eigeninitiative entzogen, da sie als "noch nicht bereit" oder "unreif" gelten.
Auswirkungen von Adultismus auf Unternehmen und junge Menschen
Diese adultistischen Strukturen können langfristig nicht nur zu einer geringeren Zufriedenheit der Auszubildenden führen, sondern auch dazu, dass Unternehmen weniger innovativ und flexibel sind, da die Potenziale der jungen Generation nicht ausreichend ausgeschöpft werden. Beispielsweise kann eine ständige Missachtung von Anregungen, Meinungen und Ideen der Lehrlinge dazu führen, dass wertvolle Informationen und Verbesserungsvorschläge verloren gehen, wodurch Prozesse bspw. veraltet bleiben und das Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz an Wettbewerbsfähigkeit einbüßt. Eine Arbeitsumgebung, die junge Menschen nicht respektiert und ihnen keine echte Mitbestimmungsmöglichkeit bietet, wirkt dem Aufbau von Selbstvertrauen und Eigenverantwortung massiv entgegen – beides Kompetenzen, die für die erfolgreiche berufliche Entwicklung entscheidend sind.
Lösungsansätze zur Reduzierung von Adultismus
Praktische Lösungsansätze zur Reduzierung von Adultismus können in der aktiven Integration junger Menschen in Entscheidungsprozesse liegen. Zum Beispiel könnte man junge Auszubildende regelmäßig in Teambesprechungen einladen und sie ermutigen, ihre Meinungen und Vorschläge zu äußern. Auch die Übertragung von kleinen, aber wichtigen Projekten, bei denen sie eigenverantwortliche Entscheidungen treffen können, ist eine wirkungsvolle Maßnahme. Ausbildende müssen sich bemühen, ein dialogisches Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Lehrlinge Fragen stellen und Vorschläge machen können, ohne dass ihre Meinungen sofort nicht gehört, abgewertet und ohne Gespräch oder Diskussion zurückgewiesen werden.
Die Förderung der Eigenverantwortung und echte Rückmeldung auf Augenhöhe sind jedenfalls gut geeignete Schritte, die zu einer fairen und motivierenden Ausbildung beitragen. Indem Ausbildende und Unternehmen ihren eigenen adultistischen Vorurteilen bewusst entgegentreten, kann eine Ausbildungsumgebung und eine Ausbildung geschaffen werden, in der Jugendliche und junge Erwachsene ermutigt werden, ihre Kenntnisse, Ideen, Fertigkeiten und Kompetenzen voll einzubringen. Das fördert nicht nur ihre individuelle Entwicklung, sondern auch eine innovationsfreundliche und respektvolle Unternehmenskultur.
Ausblick
Um eine nachhaltige Veränderung in der Ausbildungslandschaft zu erreichen, müssen sowohl Ausbildende als auch Unternehmen langfristig ihre eigenen (meist unbewussten) Vorurteile und Verhaltensmuster hinterfragen. Ein bewusster Umgang mit Adultismus und das gezielte Fördern der aktiven Beteiligung und Übernahme von Eigenverantwortung junger Menschen sind entscheidende Schritte, um eine Kultur der Gleichberechtigung zu schaffen. Die aktive Einbindung von Lehrlingen und jungen Erwachsenen in Entscheidungsprozesse wird nicht nur ihre Motivation steigern, sondern auch Unternehmen helfen, flexibler und innovativer zu sein. Eine solche Weiterentwicklung hin zu einer offenen und unterstützenden Ausbildungsumgebung ist für alle Beteiligten ein Gewinn und bildet die Basis für eine zukunftsfähige Gesellschaft.
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