Hemmungslos kopieren

Original oder was?!

Woher kommen so viele Kopien?

Autor: Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2024

Im Bereich der Jugend- und Erwachsenenbildung wie auch der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung spielen sowohl formale Ausbildungen als auch pädagogische Trainingsangebote eine zentrale Rolle. Während Ausbildungen klar strukturierte und häufig auch akkreditierte Programme sind, die zu offiziellen Abschlüssen führen, bieten Trainingsangebote flexible und praxisorientierte Aneignungs- und Lernmöglichkeiten.

 

Doch gerade bei Trainingsangeboten zeigt sich ein interessantes Phänomen: Die Hemmschwelle, solche Programme blind zu kopieren, ist deutlich niedriger als bei formalen Ausbildungen. Dies wirft Fragen auf über den Schutz von Inhalten und die Wettbewerbsdynamik in der Bildungsbranche. Gründe dafür sind (u. a.):

 

1. Komplexität und Individualität:

  • Ausbildungen: Diese sind in der Regel komplexer strukturiert und umfassen in der Regel eine Mehr- bzw. Vielzahl von Modulen, Prüfungen und praktischen Aufgaben. Sie sind häufig an spezifische Berufsfelder gebunden und unterliegen strengeren Qualitätsstandards. Das Kopieren einer gesamten Ausbildung ist daher aufwendiger und birgt ein höheres Risiko, entdeckt zu werden.
  • Trainingsangebote: Durch ihren einmaligen oder/und modularen Aufbau lassen sich diese flexibel an unterschiedliche Zielgruppen anpassen. Sie sind insgesamt weniger formal und können daher auch einfacher kopiert oder adaptiert werden.

2. Verfügbarkeit von Informationen:

  • Ausbildungen: Die Inhalte von Ausbildungen sind in der Regel geschützt und nicht öffentlich zugänglich. Sie sind für geschlossene Lernumgebungen bestimmt und unterliegen zumindest dem Urheberrechtsschutz.
  • Trainingsangebote: Viele Trainingsangebote werden auch in Form von Präsentationen, Handouts oder Online-Kursen zur Verfügung gestellt. Diese sind leicht zugänglich und können einfacher kopiert und nachgeahmt und für eigene Zwecke verwendet werden.

3. Wahrnehmung des Schadens:

  • Ausbildungen: Das Kopieren einer gesamten Ausbildung wird weithin als gravierender Verstoß gegen das Urheberrecht wahrgenommen. Zudem kann es zu rechtlichen Konsequenzen führen und den Ruf der kopierenden Person bzw. der Einrichtung schädigen.
  • Trainingsangebote: Das Kopieren einzelner Trainingsmodule wird von vielen als weniger schwerwiegend angesehen. Es wird häufig verharmlosend als "Lernen von anderen" oder als "Weiterentwicklung" gerechtfertigt.

4. Technische Möglichkeiten:

  • Digitalisierung: Durch die Digitalisierung von Lernmaterialien ist es einfacher geworden, Inhalte zu kopieren und zu verbreiten.
  • Software: Es gibt eine Vielzahl von Software-Tools, die das Kopieren und Bearbeiten von Präsentationen, Videos und anderen digitalen Inhalten erleichtern.

Folgen des Kopierens:

  • Qualitätsverlust: Kopierte Inhalte sind nicht das Original und meist auch nicht mehr auf den aktuellen Stand der Wissenschaft und Forschung oder/und der Praxis abgestimmt.
  • Verlust von Innovation: Wenn Ideen und Konzepte einfach nur mehr kopiert werden, wird die eigene Entwicklung sowie die neuer und innovativer Trainingsangebote behindert.
  • Unfaire Konkurrenz: Anbietende, die ihre Trainingsangebote kopieren, können zwar auch die Konkurrenten unter Druck setzen aber der größte Druck lastet auf ihnen selbst.
  • Wirtschaftliche Interessen: Trainingsangebote können oft schneller und einfacher vermarktet werden. Anbietende könnten sich daher eher versucht fühlen, erfolgreiche Konzepte zu kopieren, um kurzfristig wirtschaftlichen Nutzen daraus zu ziehen.

Maßnahmen gegen das Kopieren:

  • Urheberrechtsschutz: Die Entwickelnden und Urheberinnen und Urheber müssen ihre Inhalte, einschließlich Struktur und Aufbau von Trainingsangeboten, entschieden vor unbefugter Nutzung schützen.
  • Technische Schutzmaßnahmen: Es gibt zwar unterschiedliche technische Möglichkeiten, um das Kopieren von digitalen Inhalten zu erschweren bzw. zu verunmöglichen aber eine wichtige Maßnahme ist die Geheimhaltung zentraler Informationen.
  • Sensibilisierung: Es ist wichtig, dass Trainierende, Teilnehmende und Auftraggebende immer wieder auf das Urheberrecht aufmerksam machen.
  • Alternative Formate: Anstelle von reiner Wissensvermittlung bzw. mit „Spielen“ vollgepackten Ereignistagen können besondere interaktive Formate und gezielter Erfahrungsaustausch gefördert werden, die schwerer zu kopieren sind.

Praxisbeispiel:

Eine Bildungsanbietende entwickelt ein innovatives Training für angehende Führungskräfte, das auf einer Kombination aus Gruppen-Coaching, interaktiven Fallstudien und speziellen Vermittlungs- und Kommunikationstechniken basiert. Das Programm hebt sich im Besonderen durch seine praxisnahe Vermittlung und maßgeschneiderte Inhalte für mittelständische Unternehmen ab. Die Bildungsanbietende bringt das Programm erfolgreich auf den Markt und sie erhält dafür viel positive Resonanz.

 

Wenige Monate später bietet ein Konkurrenzanbietender ein nahezu identes Trainingsprogramm an, das zwar unter anderem Namen, aber mit denselben Methoden, Aufträgen und Inhalten präsentiert wird. Zudem wurden leicht ersichtlich die kreativen Ansätze und das didaktische Grundkonzept der ersten Anbieterin direkt übernommen, ohne wesentliche Veränderungen vorzunehmen. Die Folge ist, dass es für Interessierte zwei scheinbar gleiche und im Preis in der Regel unterschiedliche Angebote gibt, die sich jedoch in der Feinstruktur und der inhaltlichen Qualität wesentlich voneinander unterscheiden.

 

Fazit:

Die niedrige Hemmschwelle beim Kopieren von pädagogischen Trainingsangeboten im Vergleich zu formalen Ausbildungen und Lehrgängen lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen. Trainingsangebote sind oft weniger reglementiert, leichter zugänglich und ihre Inhalte sind weniger geschützt. Sie bieten zudem flexiblere Strukturen, was sie anfälliger für Nachahmung macht. Im Gegensatz dazu sind formale Ausbildungen durch qualitätssichernde Vorgaben und offizielle Qualifikationen stärker geschützt. Die Kombination aus mangelndem rechtlichem Schutz, wirtschaftlichen Interessen und dem Wettbewerb um innovative Lernkonzepte führt dazu, dass Trainingsangebote häufiger kopiert werden.

 

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