Einzelfälle sind keine Beweise

Problem Verallgemeinerung

Die Sache Fehlschluss und die Folgen

Autorin & Autor: Renate Fanninger und Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2024

Das Phänomen, bei dem vom Einzelfall auf das Allgemeine geschlossen wird (taucht auch in der Bildung regelhaft auf), ist in der Wissenschaft als Induktionsfehler bekannt, genauer gesagt als Fehlschluss durch Verallgemeinerung oder auch unzulässige Verallgemeinerung. Dieser Fehler tritt auf, wenn aus wenigen spezifischen Fällen oder Beobachtungen allgemeine Schlüsse gezogen werden, ohne dass genügend Beweise vorliegen, um diese Verallgemeinerung zu stützen.

 

Warum ist dies problematisch?

  1. Begrenzte Datenbasis: Der Hauptgrund, warum es problematisch ist, von einem Einzelfall auf die Allgemeinheit zu schließen, liegt darin, dass der beobachtete Fall möglicherweise nicht repräsentativ für die Gesamtheit ist. Einzelne Fälle können durch besondere Umstände oder Zufälle beeinflusst sein, die in der breiteren Population nicht gelten.
  2. Überbetonung von Anomalien: Manchmal weichen Einzelfälle vom Durchschnitt ab und sind sogenannte Ausreißer. Diese Ausnahmen können nicht als Grundlage für allgemeingültige Aussagen verwendet werden, weil sie die Regelmäßigkeiten und Muster, die für die Mehrheit gelten, verzerren.
  3. Kognitive Verzerrungen: Menschen allgemein neigen dazu, persönliche Erfahrungen oder spektakuläre Einzelfälle überzubewerten. Diese Art des Denkens wird oft durch den sogenannten Bestätigungsfehler unterstützt: Man sucht nach Informationen, die den eigenen Überzeugungen entsprechen, und ignoriert solche, die ihnen widersprechen.
  4. Fehlende Reproduzierbarkeit: Wissenschaftliche Erkenntnisse basieren auf dem Umstand, Ergebnisse unter ähnlichen Bedingungen wiederholt zu reproduzieren. Ein Einzelfall lässt sich möglicherweise nicht in anderen Situationen oder bei anderen Personen wiederholen. In der Wissenschaft ist es deshalb wichtig, dass ein Effekt nicht nur einmal, sondern in vielen Fällen und unter kontrollierten Bedingungen auftritt.

Beispiele

  • Mentaltraining und Erfolg im Sport: Nehmen wir an, ein Sportler behauptet, dass er durch Visualisierung und Mentaltraining eine Goldmedaille gewonnen hat. Daraus abzuleiten, dass alle Athletinnen und Athleten durch Mentaltraining eine Goldmedaille gewinnen können, wäre eine unzulässige Verallgemeinerung. Der Erfolg dieses Sportlers könnte auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen sein, wie genetische Veranlagung, besonderes körperliches Training, Umfeld oder aber auch einfach nur Glück. Mentaltraining mag zwar hilfreich sein, aber es ist nicht der alleinige Grund für den Erfolg.
  • Gesundheit und Diäten: Ein populäres Beispiel ist die Verallgemeinerung von Diäterfolgen. Wenn jemand durch eine spezielle Diät (z.B. ketogene Diät) viel Gewicht verliert, führt dies oft zu der Annahme, dass diese Diät für alle Menschen gleichermaßen erfolgreich sein wird. Allerdings hängt der Erfolg einer Diät von vielen individuellen Faktoren ab, wie dem Stoffwechsel, dem Lebensstil und genetischen Dispositionen. Was für eine Person funktioniert, kann bei anderen völlig wirkungslos oder sogar schädlich sein.
  • Lernmethoden: Eine Person könnte behaupten, dass sie durch das Lernen über Videos besonders erfolgreich in der Ausbildung gewesen ist. Daraus jedoch den Schluss zu ziehen, dass das Lernen durch Videos für alle der beste Weg wäre, ist nicht korrekt. Manche Menschen lernen besser durch Lesen, andere durch praktische Übungen und allgemein gilt, dass die Lernmethoden an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden müssen.
  • Anwendung auf Unternehmenserfolg: Eine Unternehmerin gründet ein erfolgreiches Startup und schreibt den Erfolg einer bestimmten Methode (z.B. Agile Management) zu. Daraus zu folgern, dass alle Startups durch dieselbe Methode erfolgreich sein werden, ist riskant, da verschiedene Branchen, Märkte und Teams unterschiedliche Anforderungen haben.

Wissenschaftlicher Ansatz

 

In der Wissenschaft setzt Frau, Mann und Divers auf empirische Beweise und statistische Repräsentativität, um solche Fehlschlüsse zu vermeiden. Es werden eine große Anzahl von Fällen untersuchen, um statistisch signifikante Ergebnisse zu erhalten und dabei wird nicht bei einem Einzelfall stehengeblieben. Auf diese Weise wird beispielsweise in der Medizin ein Medikament erst nach umfangreichen klinischen Studien an großen und vielfältigen Gruppen zugelassen, um sicherzustellen, dass es bei einer signifikanten Mehrheit der Patientinnen und Patienten wirkt und keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auftreten.

 

Abschließend kann festgehalten werden, dass man davon ausgehen muss, dass Verallgemeinerungen von Einzelfällen oder speziellen Beobachtungen regelmäßig zu falschen oder unvollständigen Schlussfolgerungen führen, da individuelle Bedingungen, Zufälligkeiten sowie andere Faktoren die Gesamtheit nicht repräsentieren. Wissenschaft und Statistik betonen die Notwendigkeit, eine breite Datenbasis zu verwenden und Ergebnisse zu reproduzieren, um verlässliche und allgemeingültige Aussagen treffen zu können.

 

Wenn also wieder einmal jemand erklärt: „Alle Menschen werden erfolgreich sein, wenn sie an ihrer mentalen Stärke arbeiten“ und gleichzeitig die Hand für satte Honorare aufhält, dann sollte man „Nein und Danke“ sagen und damit einen sicheren Erfolg einfahren. Wenn Interesse und Bedarf bestehen, unterstützen wir dich gerne. Reden wir darüber! Unsere Angebote zu diesem Themenbereich:


Ohren auf!