Viel ist nicht die Lösung
Gute Variationen sind gefragt!
Autor: Manfred Hofferer & Team, © BPÖ 2023
Schaut man in der Entwicklung der Theorien rund um das Lernen zurück, dann waren es ursprünglich das informelle Lernen und der Dialog miteinander, dass die Grundlage für Lernen gebildet haben. Dieses informelle bzw. »Lernen nebenbei« findet im Alltag statt, ohne, dass es explizit, als Lernen bezeichnet und von den Lernenden als solches wahrgenommen wird.
Demnach lernt der Mensch das ganze Leben über Beobachtung, Dabeisein und Tun, Erfahrungen und den Austausch über Praktisches und Abstraktes wie auch die Verwobenheit der beiden, Gewesenes, Seiendes und Kommendes sowie Inneres und das, was außenrundherum ist. Er lernt, wie man geht, spricht, isst, verschiedene Theorien und Konzepte anwendet, wer man selbst ist, sich um sich selbst kümmert, wie mit anderen Menschen umgeht und wie sie bzw. er in der Gesellschaft und den damit verbundenen An- und Herausforderungen sowie Schwierigkeiten und Problemen zurechtkommt.
Beim Formellen Lernen ist das im Grunde nicht anders. Dort bezieht sich das zuvor angesprochene auf den Erwerb von bestimmten und spezifischen Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen, die bspw. im Beruf benötigt werden. Genau in diesem Bereich hat in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine eigentümliche Entwicklung ihren Anfang genommen. Dort hat die Bildungsarbeit umkreisende Bildungsmittelindustrie (vorwiegend im Jugend- und Erwachsenenbildungsbereich) damit begonnen, weil es (bis heute anhaltend, aber weitgehend losgelöst von wissenschaftlichen Erkenntnissen) ein äußerst lukratives Geschäft ist, zu postulieren, dass Vermittlung, Lernen und Aneignung besser funktionieren, wenn möglichst viele Seminarmethoden, Übungen und Spiele (mit schon vorgegebenen Zielen, Beschreibungen, Einsatz- und Anwendungshinweisen, Variationen bis hin zur Auswertung) eingesetzt werden. Die Folge ist, dass aktuell immer noch in den Köpfen vieler die Vorstellung kreist, dass es die Vielzahl der Methoden, die Seminarspiele, Übungen oder der Einsatz von allen möglichen digitalen Anwendungen wären, die darüber entscheiden, ob die Vermittlungsarbeit respektive eine Bildungsmaßnahme und damit verbunden das Lernen erfolgreich ist oder nicht.
Vielmehr Tatsache ist, dass, wenn man sich die eigene Lerngeschichte in Erinnerung ruft, man erkennt, dass es Personen waren (auch wenn der Vortrag, das Seminar, das Training oder der Workshop nicht ganz den persönlichen Vorstellungen und Geschmackslagen entsprochen hat), die fasziniert und gefesselt haben. Sie haben durch ihre Art der Betrachtung der Dinge und Vorgänge, die Herangehensweise an sie, ihr Wissen und ihre Erfahrung, das, was sie geleistet haben und in der Lage sind zu tun, die Art, wie sie Welt und Menschen sehen und damit umgehen, neue Zugänge, Denkweisen und -arten eröffnet und entscheidend dazu beigetragen, dass sich der eigene Wissens- und Kompetenzstand und die Neugier und das Interesse an der Sache verbessert haben. Solche Personen waren es, die uns als Lernende angesprochen, fasziniert, angeregt und ermutigt haben, in der Sache genauer hinzuschauen und sich vertieft damit zu beschäftigen.
Dazu im Unterschied erinnern sich Personen sehr viel weniger bis gar nicht an Bildungstage mit vielen lustigen Spielen, Hochglanz-Präsentationen oder launig-spaßigen Aufträgen und Szenarien, die vollgepackt waren mit Spaß und Bildungsentertainment-Elementen. Zugegeben, solche Tage waren auch mehr oder weniger schön, aber das woran sich die Person erinnert, ist mehr das Drumherum als der Inhalt und damit wurde informell etwas anderes gelernt als das, was formell vorgesehen gewesen ist.
In diesem Sinne, ob es nicht klüger ist, sich wieder stärker auf die Grundlagen der Vermittlungs- und Bildungsarbeit zu besinnen und darauf zu setzen, dass es Menschen sind, die auf wissenschaftlich evaluierten einfachen, überschau- und bewältigbaren Settings, Lernen und Entwicklung ermöglichen.
Hinweis: Schon Platon (er meinte unterschiedliche Aktivitäten) und Aristoteles (er sprach von Praxis und Lernen aus Erfahrung) spielten mit dem Gedanken der Methodenvielfalt. Was beide mit Sicherheit nicht meinten, ist „VIEL“, den das führt zu Irritation, Unkoordiniertheit, Unübersichtlichkeit, Ablenkung, Verwirrung und ist schlussendlich für Überforderung verantwortlich und das ist alles andere als Lernfördernd.
Wenn Interesse und Bedarf bestehen, bearbeiten wir dieses Thema gerne vertieft in unseren Ausbildungsangeboten. Reden wir darüber: