Schuldumkehr

Ich? Nein du & ihr!

Verkehrt-Verrückte Welt

Autor: in: Manfred Hofferer & Renate Fanninger, © BPÖ 2023

Keine Ahnung, wie ihr das seht, aber wenn man mit offenen Augen und Ohren durch die Welt läuft, dann begegnet einem das Momentum der Verkehrung im Grunde recht häufig. Worum geht es? In allen diesen Situationen erlebt man, wie selbstverständlich und weithin unwidersprochen es ist, wenn Verantwortung abgelehnt und auf alles Mögliche und andere geschoben wird.

 

Beispiele gefällig? Gerne!  

  • Wenn sich jemand im Ton vergreift und verbal tief unter die Gürtellinie schlägt, ist es keine Seltenheit, dass man hört „Warum so empfindlich, hast du einen schlechten Tag?!“ 
  • Wurde einer Frau zu nahegetreten und sie sich belästigt fühlt, heißt es immer noch fast selbstverständlich hinter vorgehaltener Hand: „Sie hat dazu sicher etwas beigetragen!“
  • Beklagt sich eine Person über schlechte Coaches heißt es reflexhaft: „Selber schuld, da hättest du dich im Vorfeld genauer informieren müssen!“
  • Weist jemand darauf hin, dass das der Lehrinhalt im Seminar Humbug ist, dann hört man nicht selten „Dir kann man es aber auch schwer recht machen; immer diese I-Tüpfelreitere“
  • Geht etwas kaputt heißt es im ersten Moment zu fast Einhundert Prozent „Da hättest du besser Acht geben müssen und die Bedienungsanleitung lesen!“
  • Ist jemand mit einer Sache oder einem Umstand nicht zufrieden und reklamiert, ist ein häufiges Argument der Gegenseite „Ich habe das nicht gewusst! Warum hast du im Vorfeld nicht genauer gefragt?“
  • Wurde jemand Opfer eines rassistischen Übergriffs heißt es leicht „Du bist einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und hast dich wahrscheinlich nicht richtig verhalten“
  • Flippt ein Kollege aus dann hört man als von der Aggression Betroffene regemäßig den Vorwurf „Du hast nicht rechtzeitig reagiert und nicht genug getan, um die Situation zu vermeiden.
  • Erfährt jemand Mobbing ist es auch keine Seltenheit, dass es dann heißt „Du bist viel zu sensibel und setzt dich nicht genug und rechtzeitig zur Wehr“
  • Kommt es in Beziehungen zu verbalen Entgleisungen ist eines der ersten Argumente „Das alles wäre nicht passiert, wenn du mich nicht so stark provoziert hättest!“
  • Wenn die Lehrlinge eine Arbeit nicht ordnungsgemäß verrichtet haben, dann heißt es selbstverständlich zuerst „Ich habe euch doch klipp und klar gesagt was und wie es zu tun ist! Verdammt, warum macht ihr das nicht?!“
  • Entlädt sich der Ärger einer Vorgesetzten in einer Besprechung an einer im Grunde unbeteiligten Person folgt auf den Fuß eine Erklärung die z.B. lautet: „Wenn du dich nicht immer so in den Mittelpunkt spielen und die Aufmerksamkeit auf dich ziehen würdest würde es jetzt anderes aussehen!“ oder umgedreht „Wenn ihr euch ein bisschen mehr beteiligen würdet, hätten wir diese Probleme mit Sicherheit nicht!
  • In einer flachen und entscheidungsschwachen Firmenstruktur taucht regelmäßig das Argument auf „Vieles wäre anders und besser, wenn die Mitarbeitenden sich nur ein wenig mehr einbringen würden“
  • u.v.a.m.

Bei all diesen - und unzählbar vielen anderen - Beispielen wird mehr über die Betroffenen als die Ursachen bzw. die Verursachenden gesprochen: Eine klassische Schuldumkehr. Die ist es immer dann, wenn die Schuld für ein Vergehen, Versagen, ein nicht funktionieren, Fehlen, Unterlassen oder Fehler anderen zugeschrieben wird.

 

Dabei wäre es im Grunde recht einfach: Da ist ein Problem und jetzt heißt es die Verantwortung übernehmen und kritisch nachschauen, was getan werden kann - im Idealfall unter Miteinbeziehung des Gegenübers -, damit das, was Probleme bereitet, zukünftig anders läuft. Und damit kein Missverständnis aufkommt, nein, man ist nicht immer und in jedem Fall Ursache für das Problem und für diesem Fall gibt es elegantere, konstruktivere und vor allem für alle Beteiligten angenehmere Vor- und Umgehensweisen wie man das Gegenüber damit konfrontieren kann, dass da etwas nicht so läuft wie es soll. In jedem Fall lohnt es sich, sich mit diesem Thema vertieft zu beschäftigen.

 

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