Nein, das ist nicht lustig!
Kinder als Unterhaltungsobjekte
Autor & Autorin: Manfred Hofferer, Renate Fanninger & Team, © BPÖ 2023
Innerhalb weniger Jahre hat sich TikTok zu einer der beliebtesten Plattformen für das Teilen von kurzen, unterhaltsamen Videos entwickelt. Während eine Großzahl von Nutzerinnen und Nutzern die Plattform für kreative Ausdrucksformen und unterhaltsamen Content nutzen, gibt es auch befremdliche und besorgniserregende Trends, bei denen u.a. Kinder als Objekte der Belustigung in sogenannten „Challenges“ genutzt und vorgeführt werden.
Challenges sind in den sozialen Medien nichts Neues. Bei solchen Videos sind Nutzende aufgefordert, bestimmte Aktionen oder Aufgaben in Videos umzusetzen, sie mit einem spezifischen Hashtag zu versehen und auf der jeweiligen Plattform zu präsentieren. Viele dieser Challenges sind harmlos, witzig und durchaus kreativ. Gut gemacht fördern sie die Interaktion in der Social-Media-Community und ermöglichen es den Nutzenden, ihre Kreativität zu entfalten.
Aber - speziell, wenn es um kleine Kinder geht-, was auf den ersten Blick vielleicht für den oder die andere (hier müsste in jedem Fall kritisch nachgeschaut- und nachgefragt werden, warum das so ist und was bei diesen Menschen im Kopf abgeht) lustig wirkt, ist in Wahrheit eine Form von Verletzung der einen Übergriff und Gewalt darstellt. D. h., wenn Kinder singend, tanzend ihre „Notdurft verrichtend“ fallend, purzelnd, tobend und schreiend oder in anderen emotionalen Ausnahmesituationen, mit vermeintlich kotverschmierten Händen, nachdem sie ihren Eltern hilfreich gewesen sind oder ihren Zeigefinger scheinbar in das Hinterteil ihres Haustiers gesteckt haben, gezeigt werden, ist das alles andere als in Ordnung und schon gar nicht der Entwicklung förderlich.
Fakt aus der Sicht der Kinder ist es, dass sie in solchen Darstellungen in peinlicher, erniedrigender und herabwürdigender Weise als Belustigungsobjekte benutzt und vorgeführt werden, obwohl sie dazu weder eine Zustimmung zur Mitwirkung bei der Aktivität noch zur Veröffentlichung des Produkts gegeben haben. Und zudem Fall sind solche Handlungen immer auch als ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre des Kindes zu werten, die eigentlich von den Eltern bzw. den primären Bezugspersonen streng geschützt werden müsste.
Aus entwicklungspsychologischer Sicht ist deutlich und nachdrücklich anzumerken, dass Kinder derartige von ihren Bezugspersonen (scheinbar) spontan an ihnen vorgenommen sonderbaren Handlungen, erst ab dem Eintritt in die Pubertät und später als „Humor“ verstehen können. Davor ist es nichts anderes als ein überrascht sein und nicht verstehen, was da jetzt geschehen ist und das trägt nicht unbedingt zu einem entspannten und vertrauensvollen Beziehungsaufbau und einem guten Miteinander bei. Genauso gut wie man sich an der Reaktion des Kindes belustigt, wenn ein Ei auf seiner Stirn zerschlagen wird, könnte man sich über seine Reaktion nach einer spontanen Ohrfeige, oder einem beliebig anderen Schmerzreiz freuen.
Auch für den Fall, dass Kinder unbeabsichtigt in peinlichen oder für sie schwierigen Situationen gefilmt werden, ergibt sich aus der Sicht der Psychologie, der Erziehungswissenschaft und der Pädagogik weder ein Zwang noch eine irgendwie begründete Notwendigkeit, diese Aufnahmen zu veröffentlichen. In jedem Fall ist ein besonderes Augenmerk auf solche Veröffentlichungen zu legen, bei denen im Hintergrund von den Eltern oder primären Bezugspersonen mit klaren Absichten ein Setting aufgebaut bzw. hergestellt wurde, um den Nachwuchs mit Vorsatz als Objekt der Belustigung und zur Steigerung der Reichweite, Likes oder Kommentare des eigenen Kanals zu benutzen.
In diesem Sinne, in jedem Fall ist es wichtig, um einer Desensibilisierung, Gewöhnung und dem zunehmenden Verlust des Empathievermögens in diesem Themenbereich vorzubeugen, bei solchen Beiträgen klar Stellung zu beziehen und entsprechend sachlich ablehnende Kommentare zu hinterlassen.
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