Speziell für mich!?

Individualisierung

Ich bin es der mein Lernen vorantreibt!

Autor: Manfred Hofferer & Team, © BPÖ 2023

Die Welt und mit ihr die Bildungsarbeit verändert sich in rasender Geschwindigkeit, und die Bildungsarbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen muss mit diesem Wandel Schritt halten, sich anpassen und entsprechend arrangieren. Ein Ansatz bzw. Zugang, der immer mehr an Bedeutung gewinnt und unumgänglicher wird, ist die konsequente Individualisierung der Bildungsarbeit. In einer Zeit, in der es unumstritten und anerkannt ist das jedem Lernen einzigartige Hintergründe, Lernbiografien, Bedürfnisse, Interessen und Ziele innewohnen, ist es notwendig, Bildungsangebote bereitzustellen, die auf diese individuellen Voraussetzungen, Lebens- und Lerngegebenheiten eingehen und deren Besonderheiten in der Vermittlungsarbeit berücksichtigen.

 

Was ist Individualisierung in der Erwachsenenbildung? 

 

Das Konzept Individualisierung in der Erwachsenenbildung stützt sich auf den Ansatz, Bildungsmaßnahmen, -programme und -aktivitäten in der Weise zu gestalten und aufzubereiten, dass sie den individuellen Bedürfnissen, Lernstilen, Interessen und Zielen der Lernenden bestmöglich gerecht werden. Statt einer Einheitslösung für alle wird der Fokus daraufgelegt, Lernende im Aneignungsprozess als einzigartige Individuen zu behandeln, für sie und gemeinsam mit ihnen Inhalte auszuwählen und passende Lernwege zu (er-)finden, zu ermöglichen und zu begleiten.

 

Diese Art des Zugangs zur Bildung erkennt an, dass Erwachsene vielfältige und sich voneinander unterscheidende Hintergründe, Lebenswege und Erfahrungen haben, die ihre Lern- und Entwicklungsmotivation, die Aneignungsfertigkeiten sowie -kompetenzen beeinflussen. Genauso ist das mit den Zielen. Einige Erwachsene kehren zur Aus-, Fort- und Weiterbildung zurück, um neue Karrieren zu verfolgen, während andere ihre Kenntnisse und Kompetenzen aktualisieren oder die Performance in bestimmten Bereichen verbessern möchten, um mit den Anforderungen ihrer aktuellen Lebens- oder/und Arbeitswelt Schritt halten zu können. Und dann gibt es die, die Lernen, weil sie an einem Thema inhaltlich Interesse haben, ohne dabei an bspw. ein Vorwärtskommen zu denken.

 

Warum ist Individualisierung wichtig? Zumindest 4 Aspekte spielen eine zentrale Rolle:

  • Motivation und Beteiligung: Indem Maße wie Bildungsangebote auf die individuellen Interessen, Bedürfnisse und Ziele zugeschnitten sind, steigt die Motivation der Lernenden merklich. Mit der verbesserten Motivation sehen sie deutlicher den direkten Nutzen und die Relevanz des Lernens für ihr eigenes Leben und die Karriere, was wiederum zu einer Verbesserung der Motivation, einem erhöhten Engagement und einer stärkeren Beteiligung am Lernen führt.

  • Vielfalt der Lernstile: Jeder Mensch hat - aus verschiedenen Gründen - unterschiedliche Gewohnheiten und Präferenzen, wie er bzw. sie am besten lernt. Durch die Berücksichtigung dieser Unterschiedlichkeit der Lernzugänge und Lernstile im Lernprozess (sei es visuell, auditiv, kinästhetisch oder durch vermehrt kooperatives und kollaboratives Arbeiten) und auch der zeitlichen Variabilität erfahren die Lernerlebnisse wie auch die Lernergebnisse inhaltlich eine deutliche Optimierung.

  • Lebenserfahrung nutzen: Erwachsene (bei Jugendlichen ist das etwas anders) bringen eine Fülle von Kenntnissen und Lebenserfahrungen mit, die in den Lernprozess einfließen. Individualisierte Ansätze und Zugänge ermöglichen es, diese Erfahrungen in die Erarbeitung der aktuellen Inhalte aktiv miteinzubeziehen und zu integrieren und bringen und halten dadurch den Lernprozess auf einer für die Lernenden lebensrealitätsnahen und für sie relevanten Ebene.

  • Effizienz und Effektivität: Die Erfahrungen in der Praxis haben gezeigt, dass auf die einzelnen Lernenden abgestimmte Lerninhalte, Individuelle Lernwege und Lernprozesse effizienter sind, da Lernende keine Zeit mit Inhalten verschwenden, die sie bereits beherrschen oder die sie nicht interessieren. Das hat zur Folge, dass die Konzentration auf neue und anspruchsvolle Inhalte verstärkt und der Lern- und Aneignungsprozess intensiviert und beschleunigt wird, was insgesamt ein rascheres Vorankommen nach sich zieht.

In der Umsetzung der Individualisierung setzen die Bildungspartner Österreich auf sechs Maßnahmenbereiche:

  • Bedarfsanalyse: Der erste Schritt besteht darin, die Ausgangslage, Vorkenntnisse, Bedürfnisse, sowie die Absichten und Ziele der Lernenden im Detail zu erfassen. Das könnte zwar mittels Fragebögen, Interviews oder Eingangstests erfolgen aber der immer noch effektivste Weg ist das persönliche Gespräch.

  • Flexible Lehr- und Arbeitspläne: Moderne Bildungsprogramme und deren Inhalte und Materialien müssen aus unserer Sicht und Erfahrung Flexibilität bieten, damit von den Lernenden eigenständig die Lernmodule oder Kursteile gewählt werden können, die für sie am relevantesten sind. Dies fördert von den Lernenden nicht nur eine aktivere Beteiligung am Aneignungs- und Lernprozess, sondern vor allem die Eigenständigkeit des Managements des eigenen Lernens, Wissens und Könnens.

  • Lernressourcenpakete: In diesem Bereich ändert sich nicht viel, da das Angebot von verschiedenen Lernmaterialien (Texte, Videos, interaktive Module, Aufgabenblätter oder praktische Aufgaben) schon lange Standard ist. Was sich jedoch ändert ist die Zusammenstellung und Portionierung der Unterlagen und Lernmaterialien in kleine und variabel miteinander kombinierbare Pakete, auf welche die Lernenden interessens- und bedarfsorientiert zugreifen können.

  • Unterstützende und begleitende Technologie: Technologie spielt eine zusätzlich wichtige Rolle bei der Umsetzung der Individualisierung. Der Einsatz von Lernplattformen ist eine Möglichkeit aber zunehmend mehr verlagert sich die Arbeit in Online-Livesitzungen, in denen die Lernenden von den Lehrenden in kurzen Einheiten die für sie passenden und relevanten Inhalte und Impulse sowie die Arbeitsaufgaben erhalten, um darauf aufbauend ihr Lernen und ihren Lernfortschritt zu realisieren.

  • Künstliche neuronale Netzwerke: Besonderes Augenmerk muss in der individualisierten Bildungsarbeit auf die Heranführung, dem verantwortungsbewussten Umgang und die Nutzung künstlicher neuronaler Netzwerke; die natürliche Sprache verstehen und generieren, gelegt werden. Dabei spielen das gezielte Fragenstellen und die kritische Prüfung der Antworten eine wichtige Rolle. Zudem braucht es Zeit und behutsame Begleitung, um ein differenziertes Verständnis der Systematik und Logik im Hintergrund dieser Netzwerke zu entwickeln. Auf keinen Fall dürfen Lehrende darauf verzichten, dass immer auch eigenständige Antworten auf die gestellten Fragen gefunden, erarbeitet und konstruiert werden.

  • Austausch und laufende Rückmeldung: Der auf die Lernsache bezogene Dialog zwischen Lehrenden und Lernenden ist in der individualisierten Bildungsarbeit essenzieller als je zuvor und ein den Bildungsprozess entscheidend begleitendes Element. Der laufende inhaltlich bedarfsorientierte Austausch und die regelmäßigen sowie bedarfsorientierten Rückmeldungen unterstützen dabei, u.a. den Lernstand- und -fortschritt sichtbar zu machen, ihn einzuschätzen und zu bewerten, Ziele anzupassen und neue Erarbeitungs- und Lösungswege zu finden, wie auch Strategien zu entwickeln, um die mit dem Lernen verbundenen Herausforderungen besser bewältigen zu können.

In jedem Fall ist das Konzept der Individualisierung der Jugend- und Erwachsenenbildung ein Weg, um das Lernen als solches und das lebenslange Lernen für die Lernenden leichter zugängig, eigenverantwortlicher, effektiver und bereichernder zu gestalten. Indem Maße wie Bildungsanbietende die Einzigartigkeit der Lernenden anerkennen, respektieren und entsprechend darauf in der Bildungsarbeit eingehen, schaffen sie Lernumgebungen, die auf Selbst- und Eigenständigkeit, intrinsische Motivation, Effizienz und das eigenverantwortlich gestaltete persönliche Wachstum ausgerichtet sind. Die Individualisierung in der Jugend- und Erwachsenenbildung ist in jedem Fall eine lohnende Investition in die Zukunft des lebenslangen Lernens.

 

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