Bedeutungszuschreibung

So ist das!

Interpretationen formen und lenken die Wahrnehmung und das Leben

Autor: Manfred Hofferer, © BPÖ 2023

Wer beruflich draußen in der Natur unterwegs ist trifft regelmäßig (aber nicht nur dort) auf dieses Phänomen. Gemeint ist das der Bedeutungszuschreibung. Insgesamt ist sie ein grundlegender psychologischer Prozess (im Besonderen der kognitiven sowie der Sozial- und Wahrnehmungspsychologie) der wichtig ist und dazu beiträgt, dass Menschen Welt verstehen, ihr Verhalten steuern und Sinn in ihrer Umgebung (er-) finden.

 

Vorweg ein Hinweis: Für die Natur als solches ist es gänzlich unerheblich welche Bedeutung ihr der Mensch zuschreibt; denn sie ist das, was sie ist auch ohne seine Anwesenheit. Besonders im Kontext Natur taucht dieses Phänomen sehr häufig, in besonders bunten Ausprägungen auf und führt regelmäßig zu Kontroversen. Sind es auf der einen Seite solche, die Natur als Arbeits-, Wirtschafts- oder Forschungs- und Entwicklungsraum definieren stehen denen solche gegenüber, die ihr spirituelle Bedeutung zuschreiben, sie als Heilerin sehen, als Ort annehmen wo auf natürliche Weise Entspannung und Stress abgebaut wird, sie als Bereich sehen, der heilende Wirkung verströmt oder auch die Kreativität fördert und Inspiration in besonderer Weise begünstigt.

 

An sich kein Problem, aber schwierig wird die Sache regelhaft dann, wenn begründete und reflektierte auf nicht begründete unreflektierte (sogenannte übernommene) Bedeutungszuschreibungen treffen. Begründet meint, dass es bspw. eine gesicherte Datengrundlage aus der Forschung dafür gibt, warum der Aufenthalt für bestimmte Menschen zu bestimmten Zeitpunkten im Wald in speziellen Bereichen gesundheitsförderlich sein kann. Hier spielt die individuelle Bedeutungszuschreibung in der Folge primär keine Rolle, da es sich um ein Faktum handelt. Verstärkt werden kann bspw. die positive Wirkung, wenn die einzelne bzw. betroffene Person diesen Fakten auch Bedeutung zuschreiben kann. Unter nicht begründet fällt dagegen alles generalisierte Vermuten und Glauben ohne entsprechend nachvollziehbare Hintergründe und evaluierte Grundlagen. Das Problem, das sich in diesem Bereich eröffnet ist, dass nur dieses „Glauben“ übrigbleibt und entsprechend auch nur der Placeboeffekt wirken kann. Heißt, dass sich z.B. das subjektive Wohlbefinden einer Person aufgrund ihrer Erwartung bzw. des Glaubens an eine Wirkung durch den Aufenthalt in der Natur verbessern kann, obwohl keine spezifischen therapeutischen Eigenschaften oder Wirkungen bekannt oder/und nachgewiesen sind. Hinweis: Über den sogenannten Nocebo-Effekt - das negative Gegenstück zum Placebo - hört man nichts und darüber wird auch nicht gesprochen. Er beschreibt die unerwünschten Seiten- und Nebenwirkungen einer Scheinwirkung, bei der sich die bestehenden Ausgangslagen und Beschwerden verschlimmern oder/und zusätzlich neue hervorgerufen werden.

 

Man könnte das auch so stehenlassen, wenn da nicht der Umstand wäre; speziell im Gesundheits-, Lern- und Bildungsbereich, dass einzelne (und deren werden aktuell immer mehr) ihre generalisierten und unreflektierten Bedeutungszuschreibungen anderen gegen (viel) Geld anbieten und dazu – implizit oder/und explizit die Wahrheit, Erfolg, Erleichterung oder sogar Heilung in Aussicht stellen. Achtung: Auch hier heißt es regelmäßig „Das ist wissenschaftlich bewiesen!“ aber bei genauer Nachschau stellt sich heraus, dass es zwar die eine oder andere Studie gibt aber die dann doch von eher eigentümlicher Qualität sind.

 

Ein einfacher Perspektive Wechsel hilft zu verstehen. Versetzt sich Frau, Mann oder Divers bspw. in die Lage eines Menschen, der unter Stress, Depressionen oder Ängsten leidet, dann ist dieser Person nicht geholfen, wenn ihr mit viel Werbeaufwand ein Placebo Produkt vor die Nase gehalten und als ultimative Lösung verkauft wird. Wie zuvor betont – es hilft – einschränkt - nur das, was die Person glaubt, aber in Wahrheit wird die echte Auseinandersetzung mit den Ursachen und Hintergründen, möglichen wirksamen Wegen und Methoden, um zu einer Verbesserung zu kommen, verschleppt. Genauso verhält es sich mit einem Team in dem bspw. die Kommunikation und der offene Umgang miteinander verbessert werden soll. Gut wird die Sache dann, wenn aufbauend auf begründeten und reflektierten Konzepten im Arbeitsbereich Natur mit professioneller pädagogischer Unterstützung miteinander nach Lösungen gesucht wird bzw. passende Konzepte erarbeitet werden.

 

Faktum ist, dass Bedeutungszuschreibungen - die Interpretationen sind - die Wahrnehmung lenken und formen. Wie der Mensch Ereignisse, andere Menschen, Situationen und Informationen interpretiert, beeinflusst, wie er sie wahrnimmt und versteht. Auf der einen Seite eine Notwendigkeit und auf der anderen Seite der Bereich, in dem regelmäßig „Verführung“ stattfindet. Daher sind eine bewusste Reflexion und laufende Überprüfung der Interpretationen wichtig. Sie bildet die Basis, um die Wahrnehmung; und alles, was damit verbunden ist, zu erweitern und alternative und neue Perspektiven zu entwickeln. Die Kompetenz, die eigenen Interpretationen anpassen zu können und offen für neue Informationen zu sein, ist das Tor zu einer flexibleren und differenzierteren Wahrnehmung von sich selbst und der Welt. 

 

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